So meistern Sie die Rückkehr in den Alltag nach den Feiertagen

Die Feiertage sind eine Zeit, die uns oft wie eine Insel im Strom des Alltags erscheint – geprägt von besonderen Momenten, gemeinsamer Zeit mit Familie und Freunden und einer festlichen Atmosphäre, die alles um uns herum verzaubert. Doch kaum sind die Lichter erloschen und die Feiertage vorbei, macht sich bei vielen ein Gefühl der Leere breit. Der sogenannte „Post-Holiday Blues“ kann uns das neue Jahr mit Niedergeschlagenheit beginnen lassen, statt mit frischer Energie. Warum fällt es uns so schwer nach den Höhen der Feiertage in den Alltag zurückzukehren? Und was können wir tun, um diesen Übergang leichter zu gestalten?

Warum die Feiertage eine emotionale Ausnahmesituation sind

Die Feiertage sind für viele Menschen eine Zeit, die sich deutlich von den gewohnten Tagen des Jahres abhebt. Sie durchbrechen Routinen, schaffen besondere Erlebnisse und laden uns dazu ein intensiv über das vergangene Jahr und unsere Zukunft nachzudenken. Diese außergewöhnliche Zeit beeinflusst unsere Stimmung auf vielfältige Weise – meist positiv, aber manchmal ist sie auch belastend.

Hohe Erwartungen und Vorfreude

Die Feiertage sind eng mit Vorstellungen von Perfektion verbunden: harmonische Familienzusammenkünfte, festliche Mahlzeiten und besondere Geschenke. Bereits Wochen oder gar Monate vor den Festtagen beginnt eine Phase der Vorbereitung und Planung, die von hohen Erwartungen geprägt ist. Diese Vorfreude kann uns regelrecht beflügeln, denn unser Gehirn liebt es auf ein Ziel hinzuarbeiten.

Unterbrechung des Alltagsrhythmus

Die Feiertage sind eine Zeit der Ausnahmen: Der Wecker bleibt ausgeschaltet, Essenszeiten verschieben sich und Schlafgewohnheiten passen sich an die Festivitäten an. Auch die sozialen Interaktionen verändern sich – wir verbringen plötzlich mehr Zeit mit Familie oder Freunden, manchmal in sehr intensiven Situationen.

Dieses Ausbrechen aus dem gewohnten Alltag kann zwar kurzfristig befreiend wirken, macht jedoch die Rückkehr zur Routine besonders schwierig. Unser Körper und Geist sind darauf programmiert stabilen Rhythmen zu folgen. Sobald diese durchbrochen werden, braucht es Zeit, bis wir uns wieder an den normalen Alltag gewöhnen.

Rückblick und Neujahrsvorsätze

Der Jahreswechsel ist nicht nur ein Kalendarium, das umblättert, sondern für viele ein emotionaler Meilenstein. Wir nutzen diese Zeit, um über die vergangenen Monate nachzudenken: Haben wir unsere Ziele erreicht? Was lief gut, was weniger? Diese Selbstreflexion kann sehr intensiv sein und sowohl positive als auch negative Gefühle hervorrufen.

Zusätzlich kommen die Neujahrsvorsätze ins Spiel. Wir setzen uns oft ambitionierte Ziele für das kommende Jahr – mehr Sport treiben, gesünder leben, berufliche Meilensteine erreichen – und empfinden schon nach kurzer Zeit Druck diese umzusetzen. Unrealistische Erwartungen führen schnell zu einem Gefühl der Überforderung, besonders wenn die Realität uns nach den Feiertagen wieder einholt.

Psychologische Mechanismen hinter dem Post-Holiday Blues

Die Rückkehr in den Alltag nach den Feiertagen bringt für viele Menschen ein Phänomen mit sich, das wie bereits erwähnt als Post-Holiday Blues bezeichnet wird. Darunter versteht man eine vorübergehende Niedergeschlagenheit oder ein Gefühl von Antriebslosigkeit, das nach intensiven, emotional aufgeladenen Zeiten wie Weihnachten, Neujahr oder längeren Ferien auftritt. Dieses Stimmungstief ist kein klinisches Krankheitsbild, sondern eine normale Reaktion auf den Kontrast zwischen den freudigen, oft stressfreien Feiertagen und den Anforderungen des Alltags.

Der Post-Holiday Blues äußert sich häufig in Müdigkeit, fehlender Motivation, Gereiztheit und einem allgemeinen Gefühl der Leere. Doch warum trifft uns dieser Zustand so oft, und welche Mechanismen stehen dahinter?

Verlust der Dopamin-Spitzen

Die Feiertage sind voller Momente, die unser Gehirn mit Glücksgefühlen belohnen: ein liebevoll verpacktes Geschenk, die Umarmung eines Familienmitglieds, das Genießen eines besonderen Festessens. Diese Erlebnisse aktivieren unser Belohnungssystem, insbesondere durch die Freisetzung von Dopamin – einem Neurotransmitter, der für das Empfinden von Freude und Motivation verantwortlich ist.

Doch was passiert, wenn diese Dopamin-Spitzen plötzlich wegfallen? Genau das geschieht nach den Feiertagen: Die intensiven, positiven Reize nehmen ab und unser Dopaminspiegel sinkt auf ein normales Niveau zurück. Dieser plötzliche Rückgang kann zu einem Gefühl der Leere oder Niedergeschlagenheit führen, vergleichbar mit einer emotionalen Entzugserfahrung.

Fakt: Dopamin reguliert nicht nur unsere Freude, sondern auch unsere Motivation Dinge zu tun. Wenn unser Belohnungssystem keine aufregenden Reize mehr erhält, fehlt uns oft der Antrieb uns auf den Alltag einzulassen.

Beispiel: Nach Wochen voller festlicher Vorfreude, gemeinsamer Aktivitäten und liebevoller Gesten kann der erste Arbeitstag im neuen Jahr wie ein grauer, unspektakulärer Kontrast erscheinen, der kaum noch Freude auslöst.

Stress durch Anpassung

Ein weiterer Grund für den Post-Holiday Blues ist der plötzliche Wechsel von einer entspannten oder festlich geprägten Zeit hin zu den Anforderungen des Alltags. Während der Feiertage genießen wir oft Flexibilität: später aufstehen, mehr Freizeit und weniger Druck Deadlines einzuhalten. Diese Phase der Entspannung endet jedoch abrupt mit dem ersten Tag zurück im Büro oder der Rückkehr zu familiären und persönlichen Verpflichtungen.

Dieser Wechsel kann das Stressniveau stark ansteigen lassen, da der Alltag eine hohe Anpassungsfähigkeit erfordert.

Psychologischer Aspekt: Unser Gehirn liebt Routinen, aber der Sprung von Feiertagsfreuden zu Arbeitsstress ist alles andere als sanft. Der abrupte Wechsel fordert viel mentale Energie, die in der ohnehin trüben Nach-Feiertagsphase oft nicht ausreichend vorhanden ist.

Beispiel: Die ersten Arbeitstage nach einer langen Pause fühlen sich häufig an, als müssten wir wieder auf Touren kommen – sei es durch das Beantworten unzähliger E-Mails, das Organisieren neuer Projekte oder die Einhaltung straffer Zeitpläne. Dieser Anpassungsstress kann das Gefühl von Überforderung verstärken.

Kognitive Dissonanz

Während der Feiertage sehnen wir uns nach Erholung, einer Auszeit vom Alltag und nach emotional erfüllenden Momenten. Gleichzeitig wissen wir, dass der Alltag unausweichlich ist und Verpflichtungen auf uns warten. Diese gegensätzlichen Wünsche – einerseits Erholung zu genießen und andererseits den Anforderungen gerecht zu werden – können eine innere Spannung hervorrufen, die als kognitive Dissonanz bezeichnet wird.

Kognitive Dissonanz tritt auf, wenn unsere inneren Werte oder Wünsche im Widerspruch zu unseren Handlungen oder äußeren Anforderungen stehen. Nach den Feiertagen entsteht diese Dissonanz oft dadurch, dass wir uns nach der stressfreien Festtagszeit zurücksehnen, aber gleichzeitig wissen, dass wir wieder in den normalen Rhythmus zurückkehren müssen.

Beispiel: Ein Teil von uns möchte die Leichtigkeit und Harmonie der Feiertage beibehalten, während ein anderer Teil uns zwingt, uns um Rechnungen, berufliche Aufgaben oder Neujahrsvorsätze zu kümmern. Dieser Konflikt führt nicht selten zu Unzufriedenheit und einem Gefühl von innerer Zerrissenheit.

Vom Festtagstrubel zur Alltagsbalance: So gelingt der Übergang!

Glücklicherweise gibt es eine Reihe bewährter psychologischer Strategien, die Ihnen helfen können, den Übergang vom Feiertagsmodus in den Alltag sanft und positiv zu gestalten.

Schrittweise Rückkehr in den Alltag

Ein sanfter Einstieg verhindert Überforderung und erleichtert die Anpassung:

  • Tipp: Planen Sie den ersten Arbeitstag bewusst entspannt.
    • Sortieren Sie E-Mails, statt sofort in komplexe Projekte einzusteigen.
    • Beginnen Sie mit einfachen, überschaubaren Aufgaben.
  • Beispiel: Statt direkt eine Besprechung nach der anderen einzuplanen, reservieren Sie sich in der ersten Woche Zeitblöcke für ruhiges Arbeiten und Nachbereitung.

Kleine Höhepunkte im Alltag schaffen

Die besonderen Momente der Feiertage lassen sich durch kleine Rituale ersetzen, die Freude bereiten:

  • Ideen für Alltagsfreuden:
    • Ein besonders aromatischer Kaffee am Morgen.
    • Ein kurzer Abendspaziergang, um den Kopf freizubekommen.
    • Ein Treffen mit Freunden, das den Feierabend versüßt.
  • Wissenschaftlicher Hintergrund: Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass Menschen, die bewusst kleine Freudenanker in ihren Alltag integrieren, seltener depressive Verstimmungen erleben.
  • Beispiel: Planen Sie ein wöchentliches Ritual, wie ein entspanntes Frühstück am Wochenende oder ein Besuch im Lieblingscafé, um positive Highlights zu schaffen.

Dankbarkeit praktizieren

Die bewusste Konzentration auf positive Erlebnisse kann die Stimmung heben und den Fokus neu ausrichten:

  • Tipp: Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch. Schreiben Sie jeden Abend drei Dinge auf, für die Sie an diesem Tag dankbar waren.
  • Warum es wirkt: Dankbarkeit stärkt nachweislich das Wohlbefinden und verringert negative Emotionen wie Stress oder Traurigkeit.
  • Beispiel: Statt sich auf den Stress der Arbeit zu konzentrieren, notieren Sie, wie schön das Gespräch mit einem Kollegen war oder dass Sie Ihre Lieblingsplaylist auf dem Weg nach Hause gehört haben.

Selbstmitgefühl entwickeln

Der Übergang aus der Feiertagsstimmung in die Arbeitsroutine kann emotional herausfordernd sein – und das ist völlig normal.

  • Tipp: Üben Sie Selbstmitgefühl, indem Sie sich selbst mit Verständnis und Nachsicht begegnen.
    • Erinnern Sie sich daran, dass Anpassung Zeit braucht.
    • Ersetzen Sie kritische Gedanken durch sanftere Formulierungen wie:
      • „Es ist okay, dass ich gerade erschöpft bin.“
      • „Ich gebe mir die Zeit, wieder in meinen Rhythmus zu finden.“
  • Warum es wichtig ist: Selbstmitgefühl fördert emotionale Resilienz und hilft mit schwierigen Gefühlen konstruktiver umzugehen.

Langfristige Prävention: Resilienz aufbauen

Um zukünftigen Post-Holiday Blues vorzubeugen, können Sie langfristige Strategien entwickeln:

Realistische Erwartungen setzen: Setzen Sie sich bewusst erreichbare Ziele für die Feiertage, um den emotionalen Absturz danach zu minimieren.

Kontinuität schaffen: Versuchen Sie einige Elemente der Feiertage in den Alltag zu integrieren.
Beispiel: Wenn gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie für Sie wichtig sind, etablieren Sie regelmäßige Familientreffen auch nach den Feiertagen.

Psychische Gesundheit stärken: Regelmäßige Bewegung: Sport erhöht die Produktion von Endorphinen. Achtsamkeitstraining: Meditation und Atemübungen helfen Stress abzubauen.

Die Rolle sozialer Unterstützung

Der Austausch mit anderen Menschen kann eine wertvolle Unterstützung sein, um mit den Herausforderungen nach den Feiertagen besser umzugehen. Sprechen Sie offen mit Freunden, Kollegen oder Familienmitgliedern über Ihre Gefühle – oft werden Sie feststellen, dass Sie mit diesen Emotionen nicht allein sind. Gemeinsam darüber zu reden kann erleichtern und neue Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus können Verabredungen oder gemeinsame Aktivitäten, besonders in der ersten Woche nach den Feiertagen, das Gefühl von Isolation mindern und helfen, wieder mehr Freude und Verbindung zu erleben.

Sollte jedoch das Stimmungstief länger als zwei Wochen andauern oder sich verschärfen, könnte dies auf eine tieferliegende Problematik wie eine Depression hinweisen. In solchen Fällen ist es wichtig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Psychotherapeutische Unterstützung oder Gespräche mit einem Arzt können hier helfen die Ursachen zu klären und passende Lösungen zu finden. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich selbst diese Unterstützung zu erlauben, wenn sie gebraucht wird.

Quellenangaben
  • Hoyer, J. & Knappe, S. (2021). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer, Berlin.
  • Kübler-Ross, E. (2008). Verstehen, was Sterbende sagen wollen. Knaur, München.
  • Will, H., Grabenstedt, Y., Völkl, G. & Banck, G. (2019). Depression. Kohlhammer, Stuttgart.

Kategorien: Depressionen Therapie

Vanessa Graßnickel
Chefärztin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Vanessa Graßnickel
Dr. med. Vanessa Graßnickel ist eine anerkannte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach langjähriger Tätigkeit als Oberärztin übernahm sie 2024 die Position als Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof in Bad Brückenau. Dr. Graßnickel spezialisiert sich auf verhaltenstherapeutisch basierte Behandlungen und Suchtmedizin, fundiert durch ihr Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum und einer umfangreichen fachärztlichen Ausbildung an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum. In ihrer Rolle als Chefärztin verbindet Dr. Graßnickel modernste diagnostische und therapeutische Methoden mit einer empathischen, respektvollen Patientenbetreuung sowie maßgeschneiderten Therapieplänen.

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