Dankbarkeit im Jahresrückblick

Der Jahreswechsel liegt hinter uns und das neue Jahr hat begonnen – eine Zeit, in der wir uns neu orientieren, Vorsätze fassen und mit frischem Blick nach vorne schauen. Während viele Menschen die ersten Tage des Jahres nutzen, um Pläne zu schmieden und Ziele zu setzen, bleibt dabei oft ein wichtiger Aspekt der Selbstfürsorge unbeachtet: die Dankbarkeit. Sie klingt schlicht, doch ihr Einfluss auf unsere psychische Gesundheit und unser Wohlbefinden ist tiefgreifend.

Dankbarkeit ist mehr als nur ein flüchtiger Gedanke – sie ist eine bewusste Praxis, die im Alltag gepflegt werden kann, um das emotionale Gleichgewicht zu fördern und die Resilienz zu stärken. Der Beginn eines neuen Jahres bietet eine wunderbare Gelegenheit sich dieser Praxis zu widmen. Doch wie genau wirkt Dankbarkeit auf unsere psychische Gesundheit und warum kann der Rückblick auf das vergangene Jahr dabei eine entscheidende Rolle spielen? Tauchen wir gemeinsam tiefer in dieses Thema ein.

Die Psychologie der Dankbarkeit: Warum Dankbarkeit mehr ist als ein nettes Gefühl

Dankbarkeit ist nicht nur ein angenehmes, sondern auch ein kraftvolles Gefühl. Sie kann die Art und Weise verändern, wie wir die Welt wahrnehmen und unser eigenes Leben bewerten. Zahlreiche psychologische Studien belegen, dass Dankbarkeit positive Effekte auf die psychische Gesundheit hat. Sie hat einen direkten Einfluss auf unser Stressniveau, unsere Stimmung und sogar auf unsere kognitiven Fähigkeiten.

Dankbarkeit aktiviert Bereiche im Gehirn, die mit positiven Emotionen verbunden sind und fördert die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin – beiden wichtigen Glückshormone. Gleichzeitig reduziert sie die Produktion von Cortisol, dem Stresshormon. Das bedeutet, dass Menschen, die regelmäßig Dankbarkeit praktizieren, nicht nur resilienter gegenüber Stress sind, sondern auch eine insgesamt positivere Grundhaltung entwickeln. Sie sind selbst in schwierigen Zeiten in der Lage das Gute zu sehen, was ihre Fähigkeit stärkt mit belastenden Ereignissen umzugehen.

Dankbarkeit als Mittel der Heilung: Psychische Störungen und ihre Verbindung zur Dankbarkeit

Dankbarkeit hat eine therapeutische Wirkung, die auch in psychologischen Behandlungen zunehmend berücksichtigt wird. Sie ist insbesondere in der Behandlung von Depressionen, Angststörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) von Bedeutung. In der kognitiven Verhaltenstherapie wird der Fokus oft auf die Umstrukturierung negativer Gedanken gelegt. Ein zentraler Bestandteil dieser Umstrukturierung ist die Förderung von positiven Denkweisen – und genau hier kommt Dankbarkeit ins Spiel.

Depressionen

Menschen, die unter Depressionen leiden, haben oft das Gefühl, dass ihr Leben von Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit durchzogen ist. Dankbarkeit wirkt hier wie ein Anker – selbst in den schlimmsten Momenten kann das Bewusstsein für die Dinge, für die man dankbar ist, den Fokus auf das Gute im Leben richten. Eine einfache Dankbarkeitspraxis, bei der täglich fünf Dinge notiert werden, für die man dankbar ist, kann die Symptome einer Depression lindern und das Selbstwertgefühl stärken.

Angststörungen

Bei Angststörungen, insbesondere der generalisierten Angststörung, überschätzen Menschen häufig die Gefahr in ihrem Umfeld. Sie neigen dazu, sich auf die Ängste und Sorgen zu konzentrieren, was das Gefühl der Bedrohung verstärkt. Dankbarkeit verschiebt den Blickwinkel und hilft dabei, das eigene Leben aus einer neuen Perspektive zu sehen. Indem man aktiv nach positiven Aspekten sucht, können die ständigen Sorgen etwas relativiert werden.

PTBS

Posttraumatische Belastungsstörungen führen dazu, dass Menschen erschütternde Erlebnisse immer wieder durchleben. Hier kann Dankbarkeit helfen die emotionalen Wunden zu heilen. Dankbarkeitsübungen können eine positive Neuverknüpfung von Erinnerungen fördern und den Fokus von den traumatischen Ereignissen auf das Positive im Leben verschieben. Dankbarkeit wirkt als eine Art Gegengewicht zu den belastenden Gedanken und kann dabei helfen den Heilungsprozess zu beschleunigen.

Der Jahresrückblick als Türöffner für Dankbarkeit

Der Jahresrückblick ist für viele Menschen eine Gelegenheit Bilanz zu ziehen, zu reflektieren und Ziele für das kommende Jahr zu setzen. Doch er bietet auch eine einzigartige Chance, sich bewusst mit Dankbarkeit auseinanderzusetzen. Warum nicht das vergangene Jahr nicht nur hinsichtlich der Herausforderungen, sondern auch der positiven Momente betrachten? Durch das bewusste Nachdenken über die schönen Augenblicke des Jahres – sei es eine unerwartete Begegnung, ein persönlicher Erfolg oder auch ein unterstützender Moment von Freunden oder Familie – können wir unser Bewusstsein für das Gute in unserem Leben schärfen.

Ein bewusster Jahresrückblick, der auf Dankbarkeit ausgerichtet ist, hat tiefgreifende psychologische Vorteile. Die Praxis hilft nicht nur dabei das eigene Leben zu würdigen, sondern sie unterstützt auch dabei eine positivere Perspektive für die Zukunft zu entwickeln. Sie lässt uns auf unsere Resilienz und auf die Fortschritte im Leben blicken, die wir vielleicht im hektischen Alltag nicht immer wahrnehmen.

Eine Anleitung für einen Dankbarkeits-Rückblick

Um einen Jahresrückblick mit Dankbarkeit zu gestalten, können folgende Schritte helfen:

Schaffen Sie einen Raum der Ruhe

Nehmen Sie sich bewusst Zeit, um in Ruhe auf das Jahr zurückzublicken. Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, an dem Sie sich wohlfühlen und ungestört nachdenken können.

Erstellen Sie eine Liste

Schreiben Sie die wichtigsten Ereignisse und Erlebnisse des Jahres auf. Was war besonders? Welche Momente haben Ihnen Freude bereitet? Welche Herausforderungen haben Sie gemeistert?

Zählen Sie die kleinen Dinge

Dankbarkeit bedeutet nicht nur große Ereignisse zu schätzen. Denken Sie auch an kleine Momente des Glücks: Ein Lächeln eines Fremden, eine gelungene Tasse Kaffee oder eine stille Minute für sich selbst.

Dankbarkeit für Herausforderungen

Auch schwierige Momente bieten Raum für Dankbarkeit. Was haben Sie aus den Herausforderungen gelernt? Welche Stärken haben Sie entdeckt? Diese Reflexion fördert die persönliche Entwicklung und das innere Wachstum.

Teilen Sie Ihre Dankbarkeit

Ein schöner Teil des Jahresrückblicks kann auch das Teilen Ihrer Dankbarkeit mit anderen sein. Schreiben Sie eine Dankeskarte, rufen Sie jemanden an oder erzählen Sie Ihren Liebsten von Ihren positiven Gedanken. Es ist eine Möglichkeit sowohl Ihre eigene Zufriedenheit zu vertiefen als auch anderen Freude zu bereiten.

Quellenangaben
  • Freund, H. & Lehr, D. (2020). Dankbarkeit in der Psychotherapie. Hogrefe, Göttingen.
  • Staudenmaier, I. (2024). Die Bedeutung von Dankbarkeit in einer digitalen Welt. Springer, Berlin.
Vanessa Graßnickel
Chefärztin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Vanessa Graßnickel
Dr. med. Vanessa Graßnickel ist eine anerkannte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach langjähriger Tätigkeit als Oberärztin übernahm sie 2024 die Position als Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof in Bad Brückenau. Dr. Graßnickel spezialisiert sich auf verhaltenstherapeutisch basierte Behandlungen und Suchtmedizin, fundiert durch ihr Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum und einer umfangreichen fachärztlichen Ausbildung an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum. In ihrer Rolle als Chefärztin verbindet Dr. Graßnickel modernste diagnostische und therapeutische Methoden mit einer empathischen, respektvollen Patientenbetreuung sowie maßgeschneiderten Therapieplänen.

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