In der Welt der Psychotherapie und psychischen Gesundheit gibt es eine auffällige Diskrepanz zwischen Männern und Frauen. Statistiken zeigen immer wieder, dass Männer seltener psychotherapeutische Hilfe suchen. Doch warum ist das so? Warum zögern Männer sich Unterstützung für ihre psychische Gesundheit zu suchen, selbst wenn sie diese dringend benötigen?
Prävalenz von psychischen Erkrankungen:
Weltweit leiden Männer und Frauen gleichermaßen unter psychischen Erkrankungen, wobei bestimmte Erkrankungen bei einem Geschlecht häufiger auftreten als bei dem anderen.
Laut dem Gesundheitsberichterstattungssystem des RKI waren Frauen in Deutschland zwischen 18 und 79 Jahren häufiger von depressiven Symptomen betroffen als Männer. In einer Studie gaben etwa 14,1% der Frauen und 8,2% der Männer an innerhalb der letzten zwei Wochen vor der Befragung mindestens einmal an depressiven Symptomen gelitten zu haben.
Auch bei Angststörungen zeigen Studien, dass Frauen in Deutschland häufiger betroffen sind als Männer. In einer repräsentativen Umfrage des RKI aus dem Jahr 2017 gaben etwa 15,5% der Frauen und 9,1% der Männer an in den letzten zwölf Monaten unter einer Angststörung gelitten zu haben.
Suizid:
In Bezug auf Suizidraten zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes Deutschland (Destatis) eine höhere Suizidrate bei Männern im Vergleich zu Frauen. Im Jahr 2022 lag die Suizidrate bei 10119 Personen. Obwohl Frauen häufiger an Suizidversuchen beteiligt sind, sterben Männer häufiger durch Suizid – rund 75% der Selbsttötungen wurden von Männern begangen.
Inanspruchnahme von Therapie:
Studien zeigen, dass Frauen im Allgemeinen eher professionelle Hilfe für psychische Probleme in Anspruch nehmen als Männer. In einem Bericht vom Robert Koch-Institut haben sich im Jahr 2017 rund ein Viertel weniger Männer als Frauen in einer psychotherapeutischen Behandlung befunden.
Gesellschaftliche Erwartungen an Männlichkeit spielen zweifellos eine zentrale Rolle. Seit Jahrhunderten wird Männern beigebracht stark zu sein, ihre Emotionen zu unterdrücken und sich nicht verletzlich zu zeigen. Diese Vorstellungen von Männlichkeit können es für Männer schwierig machen sich einzugestehen, dass sie Hilfe benötigen, geschweige denn, diese Hilfe auch tatsächlich anzunehmen. Das Stigma, das mit psychischen Erkrankungen verbunden ist verstärkt dieses Problem noch weiter. Männer fürchten oft als schwach oder unfähig angesehen zu werden, wenn sie sich als „psychisch krank“ outen oder professionelle Hilfe suchen.
Ein weiterer Faktor ist die Art und Weise wie Therapie traditionell durchgeführt wird. Viele Männer fühlen sich von den herkömmlichen Therapiemethoden, die oft stark auf das Teilen von Gefühlen und die verbale Erörterung von Problemen ausgerichtet sind, abgeschreckt. Sie bevorzugen möglicherweise eine aktivere, lösungsorientierte Herangehensweise, die konkrete Handlungspläne und praktische Strategien zur Bewältigung ihrer Herausforderungen bietet.
Darüber hinaus können auch strukturelle Barrieren den Zugang für Männern zur Therapie erschweren. Lange Wartezeiten, hohe Kosten und mangelnde Verfügbarkeit von männlichen Therapeuten, können sie davon abhalten den ersten Schritt zu machen.
Die Folgen der geringeren Inanspruchnahme von Therapie durch Männer für ihre psychische Gesundheit und ihr allgemeines Wohlbefinden können vielfältig sein:
Es gibt verschiedene Ansätze und Ideen, um Männer dazu zu ermutigen psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen:
Sensibilisierung und Aufklärung: Informationskampagnen, die die Relevanz der psychischen Gesundheit für Männer betonen und Mythen über Therapie und Männlichkeit entkräften.
Anpassung von Therapieansätzen: Entwicklung von Therapieansätzen, die besser auf männliche Bedürfnisse und Präferenzen abgestimmt sind, z. B. stärker auf Lösungsorientierung und Aktivitäten fokussiert.
Bereitstellung von männlichen Therapeuten: Mehr männliche Therapeuten einstellen, um männlichen Patienten das Gefühl von Vertrautheit und Verbundenheit zu vermitteln.
Förderung von Selbsthilfe: Bereitstellung von Selbsthilfematerialien und -ressourcen, die speziell auf Männer zugeschnitten sind und ihnen helfen, mit psychischen Problemen umzugehen.
Integration in Männergruppen: Einrichtung von unterstützenden Männergruppen oder Peer-to-Peer-Netzwerken, in denen Männer über ihre psychischen Herausforderungen sprechen können.
Einbindung von Hausärzten und Arbeitgebern: Sensibilisierung von Hausärzten und Arbeitgebern für die Bedeutung der psychischen Gesundheit von Männern und Förderung von Früherkennung und Überweisung zur Therapie.
Niedrigschwellige Angebote: Bereitstellung von niedrigschwelligen, anonymen und kostengünstigen psychotherapeutischen Angeboten, wie z. B. Online-Therapie oder telefonische Beratung.
Reduktion von Stigma: Kampagnen zur Verringerung des Stigmas im Zusammenhang mit männlichen psychischen Gesundheitsproblemen und Therapie in der Öffentlichkeit.
Berücksichtigung von Lebensphasen und -ereignissen: Spezielle Programme und Interventionen zur psychischen Gesundheit von Männern in Schlüsselphasen wie Vaterschaft, Trennung oder Pensionierung.
Ja, psychische Erkrankungen können sich bei Männern und Frauen auf unterschiedliche Weise äußern. Es folgen einige Beispiele anhand von häufigen Krankheitsbildern:
Bei Männern können Depressionen häufiger durch vermeintlich „maskuline“ Symptome wie Reizbarkeit, Wutausbrüche, Aggression und riskantes Verhalten maskiert werden. Dies kann dazu führen, dass Depressionen bei Männern oft nicht erkannt werden. Frauen hingegen zeigen eher klassische Symptome wie Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Selbstzweifel.
Männer drücken Angstsymptome eher durch physische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenprobleme oder Schlafstörungen aus, während Frauen vermehrt emotionale Symptome, wie übermäßige Sorgen oder Ängste, zeigen.
Suchterkrankungen
Während Männer eher zu Drogen- und Alkoholmissbrauch neigen, leiden Frauen eher unter internalisierenden Verhaltensweisen, wie emotionalem Essen oder exzessives Shopping, als Bewältigungsmechanismen für psychische Probleme.
Diese Unterschiede verdeutlichen nochmal die Bedeutung einer geschlechtsspezifischen Betrachtung von psychischen Erkrankungen. Es braucht einen kulturellen Wandel, der es auch Männern erlaubt sich verwundbar zu zeigen und Hilfe anzunehmen, ohne Angst vor Stigmatisierung oder Ablehnung zu haben. Therapeuten und Gesundheitsdienstleister müssen darüber hinaus für die Bedürfnisse männlicher Patienten sensibilisiert werden und alternative Therapiemethoden anbieten, die besser zu ihren Präferenzen und Lebensstilen passen.
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