Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Warum die Umsetzung der Neujahrsvorsätze oft nicht gelingt

Viele von uns starten mit guten Vorsätzen in das neue Jahr – sei es mehr Sport zu treiben, sich gesünder zu ernähren, mit dem Rauchen aufzuhören oder endlich das lang ersehnte Buch zu schreiben. Doch während der erste Monat noch von Enthusiasmus geprägt ist, verblasst die Entschlossenheit oft im Laufe des Jahres. Warum scheitern Neujahrsvorsätze so häufig und warum werden viele gute Absichten nie in die Tat umgesetzt?

Die Psychologie hinter unseren Neujahrsvorsätzen

Die Tradition sich Ziele für das neue Jahr zu setzen entspringt oft dem Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung und Verbesserung. Die Gründe, warum ein Jahreswechsel dafür besonders gerne genutzt wird sind Folgende:

Neuanfang und Frische: Viele Menschen sehen den Jahreswechsel als Gelegenheit Altlasten hinter sich zu lassen und mit frischer Energie neue Ziele anzugehen.

Reflexion über das Vergangene: Das Ende eines Jahres bietet die Möglichkeit zur Rückschau. Wir reflektieren über unsere Erfahrungen, Erfolge und auch Misserfolge.

Gesellschaftlicher Druck: Die gesellschaftliche Erwartungshaltung spielt ebenfalls eine Rolle. In vielen Kulturen ist es üblich sich zum Jahreswechsel Ziele zu setzen. Das kann dazu führen, dass wir uns von dieser kollektiven Energie mitreißen lassen und selbst motiviert sind etwas zu verändern.

Optimismus und Positivität: Menschen neigen zum Jahreswechsel dazu sich auf das Positive zu konzentrieren und optimistisch in die Zukunft zu blicken. Gute Vorsätze sind ein Mittel, um diesen Optimismus in konkrete Handlungen umzusetzen.

Stolpersteine neuer Verhaltensweisen

Nach anfänglicher Motivation und einer ganzen Zeit, wo wir unsere Ziele in die Tat umgesetzt haben, kommt dann oft der Punkt, an dem wir unsere neue Routine oder das Vorhaben nicht mehr aufrechterhalten. Doch woran liegt das eigentlich?

Unrealistische Ziele

Einer der häufigsten Fehler bei der Festlegung von Vorsätzen ist das Setzen unrealistischer Ziele. Wenn die gesteckten Ziele unerreichbar erscheinen, führt dies oft zu Frustration und schließlich zum Aufgeben.

Mangelnde Planung

Viele Menschen vergessen, dass gute Vorsätze eine klare Planung erfordern. Es reicht nicht aus, sich lediglich das Ziel vor Augen zu führen; es bedarf auch konkreter Schritte, um dorthin zu gelangen.

Fehlende Motivation

Motivation spielt eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung von Vorsätzen. Oftmals fehlt es jedoch an langfristiger Motivation. Der Anfang des Jahres ist häufig von Enthusiasmus geprägt, der jedoch im Laufe der Zeit nachlassen kann.

Fehlende Anpassungsfähigkeit

Das Leben ist voller Überraschungen und manchmal sind Anpassungen an gewisse Umstände notwendig. Starre Vorsätze können zu Enttäuschung führen, wenn unvorhergesehene Hindernisse auftreten.

Zu hart mit sich selbst sein

Selbstkritik kann kontraproduktiv sein. Wenn wir uns zu streng beurteilen, weil wir einen kleinen Rückschlag erleben, kann das dazu führen, dass wir den Glauben an unsere Fähigkeiten verlieren.

Gerade kurzzeitige Rückschläge sind oft ausschlaggebend dafür, dass Ziele nicht weiter verfolgt werden. Das kann beispielsweise eine Phase von Krankheit sein, die uns davon abhält zum Sport zu gehen und uns das Gefühl gibt alle sportlichen Erfolge wären nicht mehr sichtbar. Eventuell auch eine Familienfeier, bei der doch wieder beim Essen über die Stränge geschlagen wurde, obwohl das Ziel war Maß zu halten und sich gesund zu ernähren. Ausnahmen zu machen ist gerade in der Phase vom Erlernen neuer Verhaltensweisen sehr schwierig und sorgt dafür, dass sie nicht mehr weiter verfolgt werden.

Warum wir uns dennoch Ziele für das neue Jahr setzen sollten

Nachdem die Umsetzung von Vorsätzen gescheitert ist, erleben viele Menschen Frustration und Selbstzweifel. Oft kommt es einem schon fast albern vor, sich für das neue Jahr Ziele gesetzt zu haben – schließlich könnte man jederzeit mit der Umsetzung beginnen und es braucht nicht erst ein neues Jahr. Aus psychologischer Sicht können Neujahrsvorsätze jedoch dennoch sinnvoll sein, da sie eine strukturierte Gelegenheit bieten positive Veränderungen im Leben anzustreben.

Wie bereits erwähnt ist ein Jahreswechsel besonders mit Selbstreflexion verbunden. Der Prozess des Nachdenkens über die eigenen Wünsche und Werte fördert ein tieferes Verständnis der eigenen Bedürfnisse. Diese Selbstreflexion kann dazu beitragen persönliche Stärken und Schwächen zu identifizieren, was ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstwahrnehmung und persönlichem Wachstum ist.

Weiterhin ermöglichen Neujahrsvorsätze soziale Unterstützung. Wenn Menschen ähnliche Ziele haben, entsteht oft eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Das Teilen von Zielen kann die Motivation steigern und ein unterstützendes Umfeld schaffen, was psychologisch wichtig für die Umsetzung von Veränderungen ist.

Darüber hinaus fördern Vorsätze ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Indem Menschen sich Ziele setzen und diese erreichen, stärken sie ihr Selbstbewusstsein und ihr Vertrauen in die eigene Fähigkeit positive Veränderungen herbeizuführen. Diese gestärkte Selbstwirksamkeit kann sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirken und die allgemeine Lebenszufriedenheit erhöhen.

Von Vorsätzen zu Taten: Praktische Hilfen für die Umsetzung im neuen Jahr

Wie bereits erwähnt gibt es so einige Stolpersteine und Fallen, die uns von der Umsetzung unserer neuen Vorsätze abbringen können. Diese sollte uns jedoch nicht davon abhalten es nicht weiter zu probieren und in alten Mustern zu verharren, die uns nicht mehr gut tun. Folgende Punkte können uns helfen unsere Vorsätze zu Taten werden zu lassen:

Realistische und erreichbare Zwischenziele setzen: Statt sofort das Endziel vor Augen zu haben, beginnen Sie mit kleinen Veränderungen. Sobald sie diese in Ihren Alltag integriert haben, steigern Sie sich nach und nach weiter.

Herausfinden, was langfristig motiviert: Visualisieren Sie die Vorteile der Zielerreichung und erinnern sich regelmäßig daran. Es kann auch helfen die gewünschten Veränderungen zu verschriftlichen oder im Rahmen eines Vision Boards festzuhalten.

Vorsätze mit Freunden oder Familie teilen: Über die eigenen Ziele zu sprechen lässt sie oft noch präsenter werden und es wird sozialer Druck im Hinblick auf die Umsetzung generiert.

Flexibel bleiben: Wenn sich die Umstände ändern, finden Sie alternative Wege oder passen Sie Ihre Ziele den Gegebenheiten an, statt sie nicht mehr zu verfolgen.

Nachsichtig sein: Akzeptieren Sie Rückschläge als Teil des Prozesses und sehen Sie sie als Gelegenheit an zu lernen und zu wachsen. Veränderung verläuft in den wenigstens Fällen gradlinig.

Quellenangaben
  • Bak, P. M. (2019). Lernen, Motivation und Emotion: Allgemeine Psychologie II – das Wichtigste, prägnant und anwendungsorientiert. Springer, Berlin Heidelberg.
  • Fischer, N., Pfeiffer, T. & Dickhäuser, O. (2021). Stark im Scheitern – Motivation nach Misserfolgen: Motivationsförderung im Arbeitskontext. Springer Fachmedien, Wiesbaden.
  • Margraf, J. & Schneider, S. (2009). Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Band 1: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren, Rahmenbedingungen. Springer, Heidelberg.
  • Psycholgie Heute Compact. (2014). Endlich geschafft! Pläne verwirklichen, schlechte Gewohnheiten ändern, gute Vorsätze durchhalten. Beltz, Weinheim.

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Vanessa Graßnickel
Chefärztin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Vanessa Graßnickel
Dr. med. Vanessa Graßnickel ist eine anerkannte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach langjähriger Tätigkeit als Oberärztin übernahm sie 2024 die Position als Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof in Bad Brückenau. Dr. Graßnickel spezialisiert sich auf verhaltenstherapeutisch basierte Behandlungen und Suchtmedizin, fundiert durch ihr Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum und einer umfangreichen fachärztlichen Ausbildung an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum. In ihrer Rolle als Chefärztin verbindet Dr. Graßnickel modernste diagnostische und therapeutische Methoden mit einer empathischen, respektvollen Patientenbetreuung sowie maßgeschneiderten Therapieplänen.

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