Nach einem Konflikt mit einer anderen Person fühlen wir uns nicht selten müde und erschöpft. Anhaltende Kopfschmerzen lassen uns schnell ungeduldig und reizbar werden. Und: Wenn wir niedergeschlagen sind, haben wir oft so gar keine Lust uns zu bewegen und sportlich aktiv zu werden. Alles deutet darauf hin, dass unsere Psyche und unser Körper eng miteinander verknüpft sind. Gerade Betroffene von psychischen Erkrankungen finden sich häufig in einem Teufelskreis wieder: Ihre Symptomatik verhindert die körperliche Bewegung und das wiederum steht der Besserung im Wege. Genau an diesem Punkt setzt die Sporttherapie an.
Egal ob es sich um eine Depression, eine Zwangserkrankung, eine Angststörung oder ein Burnout handelt – diese und viele weitere psychische Erkrankungen können Betroffene durch eine Reihe von Symptomen von körperlicher Betätigung abhalten. Beispiele dafür sind:
Niedergeschlagene Stimmung: Sie bringt oft Antriebsmangel und Inaktivität mit sich. Statt sich aufzuraffen und eine Runde mit dem Fahrrad zu drehen oder im Verein gemeinsam zu Schwitzen, haben Betroffene eher das Bedürfnis nach Rückzug und Schonung. Selbst ein kleiner Spaziergang um den Block scheint bei niedergeschlagener Stimmung oft nahezu unmöglich.
Demotivierende Gedanken: Depressiv geprägte Gedanken, wie der Vergleich der aktuellen Lebenssituation mit einer zurückliegenden sowie mit den Mitmenschen, können Betroffene stark unter Druck setzen. Solche demotivierenden Gedanken führen ebenfalls zu Energie- und Antriebslosigkeit. Die Aussicht auf Erfolg wird nicht selten als gering bewertet („Das bisschen Sport ändert doch sowieso nichts“).
Energielosigkeit: Gerade bei der Energielosigkeit begehen Betroffene den Fehler, dass sie sich zurückziehen und den Abend auf dem Sofa verbringen. Genau dieses Verhalten lässt die Betroffenen sich noch schlechter fühlen und bestärkt das Gefühl sich isolieren zu müssen.
Angst: Gerade bei übermäßiger Ängstlichkeit besteht bei vielen Personen eine höhere Alarmbereitschaft im Rahmen von körperlichen Veränderungen. Reaktionen bei Anstrengung wie vermehrtes Schwitzen, hoher Puls und schneller Atem werden als Zeichen für eine Angstsituation gedeutet. Schnell kommt die Sorge auf der Belastung nicht standhalten zu können, sich übernommen zu haben oder Kontrollverlust zu erleben.
Mangel an Selbstvertrauen: Ängste oder Erwartungen zu Versagen erschweren es, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Das wiederum hindert das Herantrauen an eine neue Sportart, den Beginn einer neuen förderlichen Gewohnheit oder das Austesten der Leistungsgrenzen und damit einhergehende Erfolgserlebnisse. Mangelndes Selbstvertrauen kann ebenfalls zur Vermeidung von Vergleichssituationen mit anderen Personen führen.
Die genannten Auswirkungen von psychischen Erkrankungen auf das Bewegungsverhalten scheinen so paradox – denn gerade an dieser Stelle wäre eine sportliche Betätigung hilfreich. Auf biologischer Ebene regt körperliche Aktivität nachweislich die Ausschüttung von Glückshormonen (Endorphin- oder Serotonin) an und führt somit zu einer besseren Stimmung. Auch Faktoren wie Veränderungen der Muskelanspannung, der Körpertemperatur oder des Blutflusses sowie die Wirkung von Botenstoffen im Gehirn spielen eine Rolle. Zudem hat Sport einen positiven Einfluss auf die Kompetenzwahrnehmung, die Selbstwirksamkeit sowie die Selbstsicherheit. Wer sich zu wenig bewegt verliert ebenfalls die Fähigkeit seine natürlichen Bedürfnisse wie Müdigkeit, Hunger oder Durst wahrzunehmen. Ein Teufelskreis!
Grundsätzlich bestehen zwei Formen der körperlichen Aktivität, um die psychische Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern:
Präventive Bewegung:
Körperliche Aktivität als Therapiebaustein:
Gerade in Hinblick auf demotivierende Gedanken ist es wichtig, sich der Ursache dieser Gedanken bewusst zu werden. Am besten findet die Gewöhnung an neue oder länger nicht ausgeübte Bewegungsabläufe in einer vertrauten Umgebung statt. Ebenfalls ist es sinnvoll sich eine Sportgruppe zu suchen, die sich im eigenen Leistungsniveau bewegt. Das vermindert die Sorge, nicht mit den anderen mithalten zu können und erhöht die Chance auf positive Erfahrungen. Genauso wichtig ist es nachsichtig mit sich zu sein und sich zu belohnen, wenn ein Training absolviert wurde. Da demotivierende und perfektionistische Gedanken oft zusammenhängen ist es sinnvoll, eine Sportart zu wählen, die schon immer Freude bereitet hat und nicht allzu sehr das Wettkampfdenken im Fokus hat. Die Ziele sollten gerade zu Beginn nicht zu hochgesteckt werden, auch eine kurze sportliche Aktivität kann reichen, um neue Energie zu gewinnen. Sollte Energielosigkeit das vorherrschende Symptom sein, empfiehlt es sich zunächst mit einer kurzen Einheit von Sportarten wie Yoga oder Thai Chi zu beginnen, die ebenfalls eine entspannende und stressreduzierende Wirkung haben. Oftmals ist es auch hilfreich, den Trainer oder andere Mitsportler über die eigenen Angstsymptome zu informieren. Hier kann unterstützt werden, indem sie immer wieder bestätigen, dass Körpersignale wie Schwitzen oder Herzrasen ganz normale Reaktionen sind und keinen Grund zur Sorge darstellen. Auch bei mangelndem Selbstvertrauen kann professionelle Unterstützung sinnvoll sein, die den Einstieg in neue Sportarten bzw. den Wiedereinstieg erleichtern kann.
Nach einem guten Einstieg in die sportliche Betätigung ist es wichtig, eine Routine zu finden. So kann das Training an festgelegten Wochentagen zu bestimmten Uhrzeiten stattfinden, sodass gar nicht mehr groß drüber nachgedacht werden muss, ob nun wirklich zum Sport gegangen werden soll. Zusätzlich ist es wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, welche Erfolge man schon erreicht hat und welche positiven Effekte der Sport mit sich bringt.
Ambulant können körperliche Aktivitäten ganz nach dem Motto: „Was am meisten Freude bereitet“ durchgeführt werden. Die Klassiker sind dabei Schwimmen, Laufen, Radfahren, Klettern oder auch Tanzen. Ein Großteil der aufgezählten Sportarten ist kostengünstig und kann örtlich und zeitlich flexibel durchgeführt werden. Sogar Gartenarbeit und ausgiebiges Putzen der Wohnung stellen eine körperliche Aktivität dar. Gerade bei starken körperlichen oder psychischen Problemen empfiehlt sich eine Anleitung von zertifizierten Trainern, Fitnesseinrichtungen oder Vereinen. Einige Krankenkassen bieten inzwischen ebenfalls die Teilnahme an Gesundheitskursen an. Was die Dauer und Häufigkeit betrifft, sollte das richtige Maß gefunden werden. Grundsätzlich sind zwei bis drei Stunden wöchentlich empfohlen, unterteilt in mehrere Einheiten von mindestens zehn Minuten. Selbst ein normaler Spaziergang erhöht die Durchblutung des Gehirns bereits um 15 Prozent, leichtes körperliches Training reicht also aus, um auch geistig in Bewegung zu bleiben.
Bewegungstherapie kann ebenfalls stationär oder teilstationär in einem Krankenhaus bzw. einer rehabilitativen Einrichtung durchgeführt werden. Hierbei wird weniger präventiv gearbeitet, die Betroffenen haben meist therapieresistente, chronische und schwere Störungsbilder. Es arbeiten mehrere Berufsgruppen unter ärztlicher Leitung mit dem Patienten zusammen und bieten ein vielfältiges therapeutisches Bewegungsangebot. Dazu kann neben Krankengymnastik auch die klassische Massage oder eine Gruppentherapie gehören. Besonders wichtig bei einem stationären Aufenthalt ist es, den Betroffenen weitere Schritte nach der Entlassung an die Hand zu geben. Das kann beispielsweise eine ambulante Anbindung mit einer regelmäßigen Kontrolle der Fortschritte bedeuten.
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