Ob bei einem hartnäckigen Grippevirus, wiederkehrenden Kopfschmerzen oder einem verstauchten Handgelenk – unser Hausarzt ist die erste Anlaufstelle unseres Vertrauens. Zögern wir ihn aufzusuchen oder ist es uns vielleicht sogar unangenehm? Die meisten würden diese Fragen mit einem klaren Nein beantworten. Doch warum ist vielen Menschen auch heute noch so unwohl dabei, bei psychischen Problemen ebenfalls professionelle Hilfe auszusuchen? Unzählige Studien beweisen, dass Psychotherapie beachtliche Veränderungen bewirken und wertvolle Lebensqualität zurückbringen kann. Also, warum sollten wir nicht auch von dieser Möglichkeit der Unterstützung profitieren wollen?!
Der Begriff Psychotherapie umfasst ganz allgemein die gezielte Behandlung von psychischen sowie psychosomatischen Beschwerden. Beispiele hierfür sind:
Ziel einer therapeutischen Behandlung ist es, das Denken, Fühlen und Handeln der betroffenen Person nachhaltig zu verbessern und akute Krisen zu bewältigen. Bestehende Ressourcen sollen mit Hilfe des Therapeuten aktiviert und alternative Handlungsmöglichkeiten erlernt werden. Durch die „Hilfe zur Selbsthilfe“ sollen Patienten auch nach der Therapie ein Buffet an Strategien erlernt haben, um mit Belastungen sowie schwierigen Situationen angemessen umgehen zu können.
Das sogenannte „Erstgespräch“
Im Erstgespräch bittet der Therapeut den Patienten zunächst darum, frei von dem Grund des Kommens und seinen Problemen zu berichten. Der Therapeut wird auch einige Rückfragen stellen, jedoch ist es von großer Bedeutung wie oder in welcher Reihenfolge der Patient seine Beschwerden schildert. Am Ende der Sitzung wird der Therapeut rückmelden, ob der Patient mit seinen Symptomen an der richtigen Anlaufstelle ist und eine Psychotherapie sinnvoll erscheint.
Die Probatorischen Sitzungen
In den folgenden zwei bis fünf Sitzungen wird der Therapeut diagnostisches Material sammeln und versuchen sich einen Überblick über das gesamte Beschwerdebild des Patienten zu verschaffen. Es geht für ihn ebenfalls darum, eine erste Idee davon zu bekommen, wie die Therapie den Patienten bei der Linderung seiner Symptome unterstützen kann. Der Patient wiederum kann die Stunden nutzen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob die Chemie zwischen ihm und dem Therapeuten stimmt und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Kommen beide Seiten zu dem Schluss, dass sie gerne zusammenarbeiten wollen, wird der Therapeut eine Kurzzeit- oder Langzeittherapie bei der Krankenkasse beantragen.
Die „Arbeitsphase“
In meist wöchentlichem Rhythmus beginnt die Arbeit am individuellen Behandlungsplan. Der Therapeut wird bestimmte Techniken anwenden, um die Auseinandersetzung mit alten und neuen Gefühlen sowie die Umsetzung neuer Verhaltensweisen zu unterstützen. Dabei können Einsichten gefördert, motiviert, jedoch auch angemessen konfrontiert werden.
Ende der Psychotherapie
Wenn die festgelegten Therapieziele erreicht sind, ist der Zeitpunkt gekommen Abschied zu nehmen. Zunächst können die zeitlichen Abstände zwischen den Sitzungen vergrößert werden, um die erarbeiteten Veränderungen zu testen und zu festigen.
Die Dauer einer Psychotherapie ist abhängig vom Therapieziel und kann je nach Problematik stark variieren. So umfasst eine Kurzzeittherapie maximal 24, eine Langzeittherapie sogar 60 oder mehr Therapieeinheiten mit rund 50 Minuten Gesprächszeit.
Es existieren verschiedenste Therapieformen, die alle auf ihren eigenen Theorien und Behandlungsansätzen beruhen. Welche nun individuell am geeignetsten ist, hängt von verschiedenen Faktoren, wie der Ausprägung des Beschwerdebildes, ab. Ausschlaggebend ist ebenfalls, wie gut sich der Patient auf die jeweilige Methode einlassen kann.
Verhaltenstherapie: Es wird angenommen, dass problematische oder unangemessene Verhaltens- oder Gedankenmuster durch Erfahrungen erlernt werden. Ziel ist es, die negativen Muster durch neue und vor allem förderliche zu ersetzen.
Psychoanalyse: Das Verdrängen von Gefühlen und Konflikten hat in der Vergangenheit eine gesunde Entwicklung verhindert. Ziel ist es nun, innere Konflikte aufzudecken und damit aufzulösen.
Tiefenpsychologisch fundierte Therapie: Auch hier wird davon ausgegangen, dass den aktuellen Beschwerden ein innerer psychischer Konflikt zugrunde liegt. Der Fokus liegt allerdings auf dem sogenannten „zentralen Konflikt“ und der Suche nach Ursachen in der Persönlichkeit bzw. der Vergangenheit.
Systemische Therapie: Die Erkrankung einer einzelnen Person steht hier als Symptom für eine Störung der Interaktion eines gesamten Systems (z.B. der Familie). Relevante Bezugspersonen sollen in den Genesungsprozess mit einbezogen werden.
Der Beginn einer Psychotherapie ist immer ratsam, wenn Gedanken, Gefühle und das Verhalten die Lebensqualität beeinträchtigen. In schlimmen Fällen kann der Beruf nicht mehr ausgeübt werden oder soziale Kontakte sind betroffen. Es gibt auch psychische Erkrankungen, wie beispielsweise die narzisstische Persönlichkeitsstörung, bei der Betroffene sehr gut mit ihren Symptomen leben können. In den Fällen sind es eher Angehörige, die unter ihnen leiden und den Betroffenen zu einer Therapie ermutigen. Auch ein Indiz für das Aufsuchen professioneller Unterstützung sind medizinisch unerklärliche körperliche Symptome. Betroffene haben häufig einen langen Diagnoseweg hinter sich und erleben starke Hilflosigkeit und Verzweiflung. Für körperliche Symptome können einerseits psychische Erkrankungen ursächlich sein oder das psychische Leiden kann durch sie erst entstehen.
Eine überwiegend zustimmende Beantwortung folgender Fragen kann die Entscheidung für eine Psychotherapie erleichtern:
Nachdem die Frage der Notwendigkeit einer Psychotherapie beantwortet ist, sollte entschieden werden, wo und in welchem Rahmen eine Therapie durchgeführt wird. Grundsätzlich kann eine Psychotherapie von einem psychologischen Psychotherapeuten oder einem Psychiater durchgeführt werden. Der Psychotherapeut ist dabei derjenige, der die meist wöchentliche Gesprächstherapie mit dem Patienten durchführt und mit der bewussten Auseinandersetzung sowie den Ursachen der Probleme arbeitet. Der Psychiater hingegen kümmert sich als Mediziner auch um die körperliche Diagnostik und die Verschreibung von Medikamenten. Grundsätzlich empfiehlt es sich für die meisten Krankheitsbilder zunächst mit einer Psychotherapie zu beginnen und bei Bedarf Medikamente begleitend einzusetzen.
Die Frage nach dem Ort der Durchführung einer Therapie richtet sich ganz nach der Stärke der Beschwerden. Eine ambulante Therapie empfiehlt sich für Patienten mit einem höheren Funktionsniveau, die ihren Alltag noch selbstständig bewältigen können. Der stationäre Aufenthalt bietet einen schützenden Rahmen, wenn Patienten einen sehr schlechten Gesundheitszustand aufweisen, schon länger erfolglos an einer ambulanten Psychotherapie teilnehmen sowie selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten zeigen.
Psychotherapie kann, egal ob ambulant oder stationär sowohl von gesetzlichen Krankenkassen getragen werden oder im Rahmen einer privaten Therapie bzw. in einer Privatklinik stattfinden. Teilweise sind die Einrichtungen und Therapeuten auf bestimmte psychologische Erkrankungen spezialisiert, was bei der Suche nach dem passenden Ansprechpartner beachtet werden sollte.
Abschließend ist nochmal wichtig zu betonen, dass das Einholen einer professionellen Meinung zu einem bestehenden Beschwerdebild immer ratsam ist und nicht gezögert werden sollte, Chance auf Hilfe und das Wiedererlangen von Lebensqualität wahrzunehmen.
Kategorien: Therapie