Mit Yoga gegen die Angst

Die Zahl der Angststörungen ist in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen. In Deutschland erkranken jährlich knapp 9 Prozent der Männer und fast 20 Prozent der Frauen. Doch nicht alle Betroffenen erhalten Unterstützung, was nicht zuletzt auch an mangelnden Therapieplätzen liegt. Nun werden allerdings immer mehr Studien mit einer Behandlungsergänzung laut, die sich ganz einfach von überall aus durchführen lässt – Yoga. Natürlich ersetzt Yoga noch lange keine Psychotherapie, doch für alle Betroffenen lohnt es sich, mal über den Tellerrand hinaus zu schauen.

Facetten einer Angststörung

Niemand ist frei von Ängsten. Sie begleiten uns täglich durchs Leben: Ob beim Überqueren der Straße, wenn wir im Dunkeln alleine das Haus verlassen oder lieber einen Helm beim Fahrradfahren aufsetzen – und das ist gut so! Problematisch wird es erst, wenn Ängste in Situationen auftreten, wo sie gar nicht notwendig und ungewöhnlich intensiv sind, was die Lebensqualität deutlich eingeschränkt. Typische Symptome einer Angststörung sind:

  • Innere Unruhe
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Reizbarkeit
  • Herzrasen
  • Zittern
  • Schlafstörungen

Besonders häufig kommen folgende Angststörungen vor:

Spezifische Phobie: Ausgeprägte Angst vor spezifischen Objekten oder Situationen wie Tieren, Höhen, dem Anblick von Blut oder Erbrechen.

Soziale Angststörung: Anhaltende Angst vor sozialen oder Leistungssituationen, in denen Personen von anderen prüfend betrachtet oder beurteilt werden könnten.

Panikstörung: Wiederholte unerwartete Panikattacken (abrupte Episoden intensiver Angst mit einem Höhepunkt innerhalb weniger  Minuten) mit Besorgnis über das Auftreten weiterer Attacken oder Konsequenzen.

Agoraphobie: Angst in folgenden Situationen nicht entkommen zu können oder keine Hilfe zu erhalten: Öffentlichen Verkehrsmittel oder Plätze, geschlossene Räume, Menschenmengen oder alleine außerhalb Wohnung.

Generealisierte Angststörung: Übermäßige Angst bezüglich mehrerer Ereignisse oder Tätigkeiten mit ausgeprägten körperlichen Symptomen und Schwierigkeiten, Sorgen zu kontrollieren.

Hilfe bei Ängsten

Die wirksamste Behandlung von Angststörungen stellt noch immer die Psychotherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie dar. Ziel dieser ist es, Denkprozesse zu Ängsten führen zu verstehen. Auf Basis dessen können neue Gedankenprozesse angestoßen werden und eine Konfrontation mit den gefürchteten Situationen erfolgen. Im Laufe der Zeit können die Patienten so die Erfahrung machen, dass ihre Angst in den sonst gefürchteten oder gemiedenen Situationen irgendwann nachlässt und wieder zurück den Alltag finden.

Nun ist es jedoch so, dass Therapieplätze sehr rar sind und oft lange Wartezeiten bestehen, wodurch die Notwendigkeit für die Patienten besteht, auch allein tätig zu werden. Es gibt es auch Betroffene, die noch zögern, Hilfe zu suchen oder einen anderen Zugang als die Gesprächstherapie zu der Bewältigung ihrer Ängste benötigen. Darüber hinaus besteht bei vielen Personen vielleicht auch noch keine Notwendigkeit einer Therapie, sie wollen sich jedoch präventiv Unterstützung suchen. Genau an der Stelle kann Yoga eine Therapie sinnvoll ergänzen.

Singen, Atmen, Dehnen – Die Yoga Praxis

Folgende Techniken können in der Yoga Praxis gezielt bei Angststörungen eingesetzt werden:

Pranayama
Pranayama Übungen beabsichtigen die Zusammenführung von Körper und Geist durch Atemübungen. Der Fokus liegt auf einem gleichmäßigen und verlängerten Ein- und Ausatmen, was die Selbstbestimmtheit fördern soll. Bei Stress und Angst werden zudem die erhöhten Cortisolwerte gesenkt und Glückshormone wie Dopamin, Serotonin und Endorphine erhöht.

Asana
In Angstzuständen sind Personen häufig verkrampft oder fühlen sich kraftlos. An diesem Punkt setzen Asanas, ruhende Körperstellungen, im Yoga an. Durch intensive Dehnungen werden Spannungszustände in den Faszien abgebaut und die Durchblutung des Gewebes erhöht. Bekannt ist auch, dass Vor- und Rückbeugen oder Hüftöffner die Schon- und Fehlhaltungen bei Angstpatienten auflösen können. Auch Asanas im Sitzen sind sehr gut geeignet, da sie durch die Nähe zum Boden das Gefühl von Sicherheit und Erdung vermitteln. Es sollte mindestens eine halbe Minute in einer Position verweilt werden, selbst wenn es unangenehm ist, damit  gelernt wird auch unangenehme Gefühle auszuhalten, was wiederum Kontrolle über den eigenen Körper verschafft.

Dharana
Bei Dharana wird gelernt die Wahrnehmung in eine bestimmte Richtung zu lenken und trotz der Angst die Oberhand über diese haben zu können. Es geht hier nicht darum, Angst komplett zu verhindern, sondern den Geist in den Momenten auf etwas Positives zu richten. Hier kommen Methoden wie Mantras, Autosuggestion, Traumreisen oder Affirmationen zum Einsatz.

Chanting
Dass Musik und Gesang einen großen Einfluss auf unsere Psyche haben, wird beim Hören unserer Lieblingslieder deutlich. Während der Yoga Praxis kann ebenfalls gesungen werden, beliebt sind Mantren wie OM. Besonders wirksam ist das Chanting, wenn vor einer Pranayama Übung getönt wird.

Wenn die genannten Techniken verinnerlicht und geübt wurden, können sie in jeglichen Alltagssituationen angewandt werden und sogar den Schlaf verbessern. Darüber hinaus können auch Personen mit anderen Krankheitsbildern wie Depressionen oder Zwangsstörungen von Yoga profitieren. Auch dort stehen die Betroffenen durch die Symptomatik permanent unter Stress und haben nicht selten den Zugang zu ihrem Körper verloren.

Eine Übung für die schnelle Hilfe

Zum Abschluss finden Sie hier die Übung der quadratischen Atmung aus der Yoga Praxis, die sie in akuten Angstsituationen oder auch präventiv jederzeit und überall durchführen können. Der Atem wird hierbei in einen Rhythmus gebracht, indem mitgezählt wird.

Einatmen-2-3-4, Halten-2-3-4, Ausatmen-2-3-4, Halten-2-3-4

Sollte das zu schwierig sein, kann auch stattdessen bis drei gezählt werden. Diese Übung sollte mindestens zwei Minuten lang durchgeführt um eine Wirkung zu erzielen.

Quellenangaben
  • Deutscher Ärzteverlag GmbH: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115590/Yoga-lindert-Angststoerungen-in-Studie#:~:text=Im%20Kern%20ist%20Yoga%20eine,von%20generalisierten%20Angstst%C3%B6rungen%20eingesetzt%20worden., Abruf am 03.08.2022.
  • Robert Koch Institut: https://www.rki.de/EN/Content/Health_Monitoring/Health_Reporting/GBEDownloadsT/Tabellen/angststoerungen_daten.pdf?__blob=publicationFile. Abruf am 05.08.2022.
  • Wagner, Karo; Kramer, Anna: Yoga bei Angst und Panikattacken. Petersberg, 2019.
Vanessa Graßnickel
Chefärztin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Vanessa Graßnickel
Dr. med. Vanessa Graßnickel ist eine anerkannte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach langjähriger Tätigkeit als Oberärztin übernahm sie 2024 die Position als Chefärztin der LIMES Schlossklinik Fürstenhof in Bad Brückenau. Dr. Graßnickel spezialisiert sich auf verhaltenstherapeutisch basierte Behandlungen und Suchtmedizin, fundiert durch ihr Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum und einer umfangreichen fachärztlichen Ausbildung an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bochum. In ihrer Rolle als Chefärztin verbindet Dr. Graßnickel modernste diagnostische und therapeutische Methoden mit einer empathischen, respektvollen Patientenbetreuung sowie maßgeschneiderten Therapieplänen.

Diesen Beitrag teilen